Achtsamkeit - ist das gefährlich?

 

Achtsamkeit ist in aller Munde, wird als eines der neuen Schlagworte genannt, die “Nachhaltigkeit” vom Platz Nr#1 verdrängen wollen. In Business-Kreisen wird es als „mindfull leadership“ bezeichnet. Böse Zungen behaupten, dass es mittlerweile ein Dauerrenner bei Bullshit-Bingo ist.

Aber was ist Achtsamkeit eigentlich? Ist es etwas Esoterisches? Oder gar etwas Energetisches? Wovon reden all die Leute da bloß? Wir wollen es hier ein wenig an die Oberfläche holen und vor allem den Begriff als solchen klären.

Wir sind es in unserem Alltag gewöhnt meist auf etwas Bestimmtes konzentriert zu sein und den Fokus auf eine einzelne Sache zu lenken. Wir lösen damit Probleme, wir erledigen Aufgaben und wir konzentrieren uns sehr punktuell – wir sind eben fokussiert.

Dieser Fokus ist notwendig und hilfreich, jedoch zwingt er uns auch Scheuklappen aufzusetzen, alles drumherum auszublenden und kein links und rechts zu sehen.

In diesem Zusammenhang ist Achtsamkeit das Gegenteil davon: Der Fokus ist auf Weitwinkel gestellt, man konzentriert sich auf nichts Bestimmtes, sondern lässt alle Einflüsse und Wahrnehmungen völlig unbewertet zu. Alle Sinne sind maximal aktiv und nehmen die gesamte Umwelt in diesem Moment wahr. Das Gehirn und unser Nervensystem sind damit so ausgelastet, dass kein bewertender Gedanke mehr Platz hat, sondern wir Eins werden mit unserer Umgebung.

Achtsam zu sein bedeutet, voll und ganz bei dem zu sein, was wir gerade empfinden. Es bedeutet, mit uns selbst in Kontakt zu sein.

Bei Achtsamkeit geht es also in erster Linie um die Konzentration auf die unmittelbare Gegenwart (auf das „Hier&Jetzt“; wieder ein Wort für Bullshit-Bingo). Achtsamkeitstraining ist das Bemühen, den Empfindungen im gegenwärtigen Moment mit möglichst großer Aufmerksamkeit und Offenheit zu begegnen.

Das Schöne daran ist, dass Achtsamkeit durch regelmäßiges Training langfristig die „Architektur des Gehirns“ verändert. Das menschliche Gehirn ist ein Trainingsorgan, ähnlich einem Muskel. Was das Krafttraining für den Muskel ist, ist die Aufmerksamkeit für das Gehirn.

Achtsamkeitstraining ist nichts Neues. Im Gegenteil, es ist etwas sehr Erprobtes. Bereits 1979 führte Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn Kurse an der Stress-Reduction-Clinic in Worcester durch, die dann die Basis für die heute gängigen und weit verbreitete MBSR („Mindfulness Based Stress Reduction – kurz MBSR“ zu Deutsch: „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“) waren.

Die ein oder andere Achtsamkeitsübung mag im ersten Moment etwas sonderbar wirken, weil sie so einfach ist und uns vollkommen logisch und klar erscheint und kein Hokuspokus und keine Zauberei dahinter steht. Vor allem aber, weil sie so ungewohnt für uns ist.

Ich habe an mir selbst festgestellt, dass man durch Training sich selbst und die Welt bewusster wahrnehmen kann, den Augenblick genießen lernen kann, das Köperempfinden sensibler wird, im Chaos und Stress die eigene Mitte finden kann und ruhiger, konzentrierter und souveräner im Umgang mit Emotionen werden kann.

Achtsamkeitstraining und Meditation kann außerdem bei der Behandlung von Angstsymptomen, Depression, chronischem Stress und Schmerzen helfen.

Achtsamkeit hat also nichts mit „vorsichtig sein“ oder Gefahr zu tun. Achtsamkeit ist vielmehr die Fähigkeit bewusst und eigenbestimmt zu leben und sich selbst und seiner Umwelt gewahr zu sein.

Achtsamkeit ist also die beabsichtigte Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Gegenwart d.h. auf den aktuellen Moment, auf die gegenwärtige Erfahrung. Achtsamkeit bedeutet das bewusste Beobachten, wobei die Beobachtung aus einer bestimmten Haltung heraus erfolgt. Diese ist

  • wohlwollend, akzeptierend,
  • nicht urteilend, nicht wertend,
  • nicht einteilend oder kategorisierend,
  • nicht identifiziert mit dem Objekt der Beobachtung, jedoch unmittelbar an der Erfahrung teilhabend,
  • unvoreingenommen, offen,
  • die Welt wie mit den Augen eines Kindes betrachtend („Anfängergeist“).

Der Mensch reagiert in der Regel unmittelbar auf einen Reiz. Achtsamkeit schiebt sich wie ein Puffer zwischen Reiz und Reaktion. Die dadurch entstehende Lücke kann helfen, eingefahrene Reaktionsmuster aufzulockern und schließlich zu verändern. Wir können dann als bewusste Wesen angemessen auf eine Situation reagieren.

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Achtsamkeit eine Art Lebensgefühl ist und mit zu einem konzentrierten Lifestyle zählt, der stärkere Abwehrkräfte, mehr Lebensqualität und bewusstere Wahrnehmung im Alltag bedeutet.